Social is the new Social
Kim Asendorf (Berlin), Ephraim Ebertshäuser (Stuttgart), Beni Herr (Stuttgart), Mi Laicos (Monemvasia), Gordan Savicic (Lausanne), Felipe Schwager (Basel)
22.01.15 - 05.02.15
Social is the new Social
22. JANUAR 2015, GAlERIE IDEA FIXA
Lesen aktiviert eine innere Stimme im Kopf. Diese vergegenwärtigt dir, was du liest.
So weit, so trivial. Interessanter ist dann allerdings, dass eine weitere innere Stimme gleichzeitig fragen könnte, was das hier inhaltlich soll. «Was ist das hier?», fragt sie.
Was sollen diese gerade durch die Augen eintretenden Abbilder von schwarzen Zeichen auf weissem Grund? Und vor allem: Was bedeuten diese, wenn sie in das Bewusstsein dringen, nachdem sie als so etwas wie Daten, wie man heute lässig sagen könnte, durch Nervenstränge und Synapsen zum Gehirn befördert werden? Stop! (Hier sofort mit Denken aufhören, bitte). Neustart. Gehen wir nochmals 25 Wörter zurück. Da stand: «...wie man heute lässig sagen könnte, ...». Wie hatte sich das angefühlt, als die mentale Plattenspielernadel über genau diese Stelle gestrichen ist? Ging das einfach runter? Oder nervte sich eine weitere Stimme darüber, wie unnötig dieser Füll-Satz war? Mussten nachgezählt werden, ob das mit den 25 Wörter korrekt war? Fragen über Fragen, um nochmals eine Floskel zu bemühen. Was denkt es jetzt?
Gut, wir wollen ja nichts überdramatisieren. Im Grunde genommen gelingt das alles ohne, dass man sich dessen bewusst wird; meistens. Und dafür, dass nun schon die halbe Seite voller Text ist, wurde vergleichbar wenig gesagt.
Aber einiges erlebt, oder? Dafür, dass es nur Buchstaben sind. Text ja vergleichsweise eindimensional, zumindest als mediale Form. Zeichen für Zeichen, Reihe für Reihe leiten wir mit Leichtigkeit unsere Imagination-Engine an, Welten zu erschaffen. Gemeinsam, mit uns alleine. Geschützt vom einzigen wirklich privaten Raum der Welt. Die Schädeldecke.
Was, ausser ein paar obskure Bereiche unserer selbst, wollen wir schützen? Sollen, wollen, müssen wir uns nicht berühren? Lasset uns spiegeln! Wir uns; ineinander. An der Spiegelungsachse eines relativ generischen Textes mit Hang zum selbstbezogenen Dekonstruktivismus.
Was das hier ist, wollte die Stimme am Anfang wissen. Das hier ist ein Indiz! Ein Indiz dafür, dass wir uns unterhalten sollten.
Über dies und das. Oder über das, was in der Ausstellung zu sehen ist. Ach ja, die Ausstellung:
9 Arbeiten, 1 Künstlerin und 5 Künstler aus 3 Ländern. Titel der Ausstellung: Social is the New social. Weshalb? Was sagen Sie, als soziales Medium? Sie Vielheit, Sie!
Mï LAICOS
«EXHIBITION»
«...Ich selber sehe mich als Kuratorin, nicht als Künstlerin. Ich erschaffe nichts Materielles. Ich lebe, mäandernd, hin zu allen Zielen. Wenn ich etwas antreffe, was mir gefällt oder wichtig ist, pflücke ich es, betrachte es. Ich versuche es dann zu konservieren – lustvoll und doch ein wenig traurig. Lustvoll, weil es gelingt. Ein wenig traurig weil es nie ganz gelingt.»
Mï Laicos, über «Exhibition», 2013. Aus dem Griechischen übersetzt.
KIM ASENDORF
«VIRTUAL SURFACE»
Oberflächen galten und gelten gemeinhin als suspekt: Sie scheinen nur der Zier, wenn nicht gar der Irreführung zu dienen, denn der Schein, so heißt es seit jeher, trügt. Das Wesentliche dagegen – Inhalt, Bedeutung, Wahrheit – wird in der Tiefe vermutet.
FELIPE SCHWAGER
TRANSITIONAL
The work „Transitional“ comments the influence of enhancing the human body with the aid of a machine. As well it highlights the relation between expectator and imagery by interacting with each other.
INBETWEEN
The installation „Inbetween“ remarks on the boundless virtual space of the digital. Digital Technologies narrowed space partial visible to the human eye.
GOrdAn SAvIčIć
SuICIDEMACHINE 2.0
The web2.0 suicidemachine was a webservice heavily used between 2009 and 2010 by several hundreds of thousands people. Its aim was to highlight rising levels of discomfort with online social media and the extreme control by the companies that create them. It worked as simple as this: After you give the service your login details, it will systematically go through your account, delete your friends, your posts, removing you from groups and so on. It will also change your profile photo to memorialise your “death” and publish your friend count as well as the date of your virtual decease. It was available for Facebook, Twitter, Myspace and Linkedin. After several thousand suicides, Facebook blocked the server and sent their lawyers after us. Several months we tried to fight back by sending letters back to them, squatting a Southpark episode (You have zero friends) and redirecting all our server traffic through a guy who formerly worked for astalavista. box.sk. nonetheless, Facebook succeeded in blocking our machine by implementing several new security steps when connecting to your account. As a further response, we decided to delete the Facebook account of WORM (our organization in rotterdam) with about 4000 friends. Since the entire project transformed itself into a media-art-hack performance including CNN, Times Magazine and BBC as protagonists, it was inevitable to document WORM‘s own suicide performed by the web2.0suicidemachine as screencast by recording the whole process in full HD video. In this “Internet-road-movie” each friend connection is being removed one-by-one and spiced up with a hand-picked soundtrack fitting the theme of saying “good-bye” to everyone.
EPHRAIM EbERTSHÄuSER
RINGTONES
„Ringtones“ ist eine Audioarbeit, die die ungewollte Konditionierung der Gesellschaft auf Hinweistöne von Mobiltelefonen behandelt. Zwei Lautsprecher, die versteckt im Raum platziert sind, spielen in unregelmäßigen Abständen bekannte Klingel- und Nachrichtentöne ab. die Tonsignale sollen die klassische Ruhe der Galerie stören und den Besucher akustisch irritieren.
WHAT IS THE NEW SOCIAL?
Die Internetseite „What is the New Social?“ verbindet die reale und die digitale Welt. Als Beitrag der Ausstellung „Social is the New Social“ hinterfragt sie den Ausstellungstitel und bittet den User um Statements. Die Galerie wird um den digitalen Raum erweitert und gibt somit online die Möglichkeit, Teil der Ausstellung zu werden. Das Kommentieren erfolgt anonym und ohne vorherige Anmeldung – lediglich der Zeitpunkt wird angezeigt. Die Antworten bleiben unzensiert, so dass auch automatisch generierte Werbe-Kommentare von Spambots geduldet werden.
bENI HERR
KALKI ist eine konzeptionelle 3d-Animation. Das Projekt verhandelt Avatar-Begrifflichkeiten der Gegenwart in der Virtualität und verbindet sie mit Jahrtausende alten Vorstellungen der hinduistischen Tradition. Neun Faktoren der Gegenwart, die in der Zukunft wahrscheinlich eine große Rolle spielen, werden in jeweils einem signifikanten Bild referenziert. Via Morphing werden prozessuale Zwischenbilder generiert. Die resultierenden 2D-Animationen werden abgetastet und in einen dreidimensionalen Virtualraum transferiert. Die entstehenden Charaktere werden pyramidal miteinander gekreuzt. Der gesamte Prozess wird von ebenfalls aus den Morph-Prozessen abgeleiteten Sounds begleitet. Die 15minütige Animation wird im DLP-Verfahren projiziert und kann mit Shutterbrillen dreidimensional gesehen werden.