Into the Deep
Comenius Röthlisberger & Admir Jahic
01. 06 – 29. 07. 2013
Fatale Attraktionen der Zeit
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Es sind merkwürdige Figuren des Sehens oder der Attraktion, die Comenius Röthlisberger und Admir Jahic mit ihren beiden neuen Werkserien in der Galerie IdeaFixa präsentieren. Arrangements De Lumières Fluorescentes zeigt eine Assemblage aus mehreren Neonröhren und jeweils einem belanglosen. Es sind zum Beispiel Neonröhren mit einem Stuhl, dessen Abgegriffenheit seine individuelle Geschichte bezeugt. Bloss vorläufiger Haltepunkt einer sich immer wieder ve§1rändernden und noch nicht zu einem Abschluss geführten Reihe ähnlicher Variationen erscheint die Arbeit wie eine offensichtliche Chiffre der künstlerischen Produktivität des Künstlerduos. Das Gestalten mit der ereignishaften Wirklichkeit erweist sich als Technik einer besonders trainierten Empfänglichkeit für den Geruch der Zeit in all ihren Facetten, wie sie sich bereits in früheren Arbeiten gezeigt haben: so unter anderem in der spontanen Spiegelung der Finanzkrise 2008 in The One HundredDollar Series (2008), einer Persiflage auf die unergründliche Wertvermehrung des Fetischs Geld, oder in For Big Mistaktes | Erased Princess Diana Drawings (2009), in welcher die ausradierende Zukunft eines ersteigerten Radiergummis von Lady Diana auf die historische Unauslöschlichkeit eben dieser Lady trifft.
In der Assemblage The Flying Saucers - In God We Trust ist es der Zufall, der die künstlerische Hauptrolle spielt, insofern sich in ihm die unergründlich setzende Gewaltsamkeit eines Ereignisses behauptet. Auf dessen magnetische Wirkung reagieren Comenius Röthlisberger und Admir Jahic, wenn sie in der Gegend umhercruisen und an ausrangierten Orten wie zum Beispiel stillgestellten Fabriken auf Objekte treffen, in deren Patina sich nicht nur die Zeichen einer abgewetzten Zeit bemerkbar machen, sondern sich mögliche Zukünfte kristallisieren, die plötzlich auf einen Schlag erhascht werden können.
Auch in der neuesten Werkserie Into The Deep von Comenius Röthlisberger und Admir Jahic, einer Serie gerahmter Glasbilder, geht es um ein Gespür für den Sound der Zeit; sie untersucht aber Attraktionen und Spannungsverhältnisse ganz anderer, eher unsichtbarer Art. Die Kraft des Zufalls wirkt hier im chemischen Prozess der verwendeten Materialien – Gusskunstharz, Farbpigmente und Glas –, vom Zeitpunkt an, wenn sie sich binden und in ein agonales Verhältnis treten. Das Resultat, ein abstrakter Widerhall auf den aus der Fotografie bekannten Entwicklungsprozesses, ist nicht vorhersehbar und nicht planbar.
Comenius Röthlisbergers und Admir Jahics Lust an der Zeit zeigt sich hier vor allem vor dem Hintergrund ihres Begehrens, die Arbeit solange im Fluss zu halten, sie solange als Prozess aller Veränderlichkeit offenzuhalten, bis jener Zeitpunkt erreicht ist, wo die am Rande eines Zusammenbruchs miteinander widerstreitenden materiellen Spannungsverhältnisse eine gewisse Balance versprechen. Der Grad der fantastischen Bildlichkeit, der hier beiläufig erreicht wird, blitzt als verschwiegener Zeuge des innigen
Attraktionsverhältnisses der Künstler zu dieser Werkgruppe auf, entstanden erst während ihrer sorgfältigen und ausdauernden Beobachtung von ihren kritischen Kontakt- und Spannungsmomenten. Beide Werkgruppen können so als bildliche Versuche der Künstler betrachtet werden, ihr Begehren am Eros der Zeit im Gebrauch unterschiedlicher Materialien immer wieder neu zu erproben und zu manifestieren. Es ist letztlich nie viel, aber es ist alles: Lust for live, rock’n’roll.
Andreas Blättler
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